Zur Zeit des Kaisers Konstantin gab es Unruhen und Aufstände in 'Phrygien.
Der Kaiser sandte drei Feldherren mit ihren Soldaten dorthin, damit sie die Ruhe
wiederherstellten. Als die Soldaten aber in den Dörfern und Städten plünderten
und die Einwohner belästigten, ging der Bischof Nikolaus von Myra hinaus aufs
Land und drängte die Feldherren, dass ihre Soldaten Frieden hielten und keiner
es wage, irgend jemanden zu bedrohen. Währenddessen kamen Boten aus der Stadt,
die zu Nikolaus sprachen: "Herr, wenn du in der Stadt wärest, geschähe kein
Unrecht dort. Der Statthalter hat nämlich Bestechungsgelder angenommen und
befohlen, drei Bürger durch das Schwert töten zu lassen. Die ganze Stadt
trauert, dass du dort nicht anwesend warest."
Eilig kehrte Nikolaus in die Stadt zurück. Als er zum Löwenplatz kam, hörte er,
dass die Verurteilten gerade das Stadttor durchschritten. Als er das Tor
erreichte, sagten ihm die Leute dort, dass die Verurteilten auf dem Weg zur
Hinrichtungsstätte seien. Schnell lief der Bischof weiter und traf an der
Richtstätte viele Menschen und den Scharfrichter, der schon das Schwert in der
Hand hielt. Nikolaus sprang schnell herbei, entriss dem Henker das Schwert und
schleuderte es weit fort. Dann befreite er die Gefangenen von ihren Fesseln und
brachte sie zurück in die Stadt. „Ich bin bereit, anstelle dieser Unschuldigen
zu sterben!“ Keiner aber von den Wachmannschaften wagte ihm entgegenzutreten
oder ihm zu widersprechen, denn „ein Gerechter hat Zuversicht wie ein Löwe“.
Nun eilte Nikolaus zum
Statthalter, pochte laut gegen das Tor und forderte Einlass. Der Statthalter
hörte, wer vor dem Tore stand, kam heraus und begrüßte den Bischof mit einem
Kniefall. Doch der stieß ihn von sich, schimpfte ihn einen Blutsauger und
Gesetzesbrecher und sagte: "Obwohl du Unschuldige töten lässt, kommst du mir
unter die Augen! Ich werde deine Verbrechen dem Kaiser melden und ihm berichten,
wie du dein Amt verwaltest, wie du dieses Land plünderst und wie du ohne Gesetz
und Recht unschuldige Bürger aus Habgier hinrichten lässt." Da fiel der Statthalter auf
die Knie und flehte den Bischof Nikolaus an: "Nicht ich bin schuldig, sondern
meine hohen Beamten, die eine falsche Anklage erhoben." Doch Nikolaus erwiderte:
"Nichts davon! Zweihundert Goldpfund hast du angenommen, um dafür diese drei
Männer gemein zu beseitigen." Und er brachte den Statthalter dazu, seine Schuld
zu erkennen und das Recht wiederherzustellen.
Dies alles erlebten die drei
Feldherren, während sie in Myra weilten. Nachdem sie aber ihren Auftrag
ausgeführt hatten, kehrten sie mit allen Soldaten zum Kaiser nach Konstantinopel
zurück. Dort wurden sie mit so großen Ehren empfangen, dass unter den übrigen
Offizieren einige neidisch wurden. Diese gingen heimlich zum Polizeikommissar
und sagten, die drei Feldherren seien Verräter, die selbst die Kaisermacht
erobern möchten, und sie versprachen dem Polizeikommissar Geschenke, wenn er die
drei Feldherren gefangen setzte und verurteile. Der Polizeikommissar ging zum
Kaiser und beschuldigte die drei Feldherren, Verräter zu sein. Da wurde der
Kaiser sehr zornig, weil er dem Kommissar glaubte, und ließ die Feldherren
sofort und ohne Untersuchung in den Kerker werfen. Dann gab er Befehl, sie in
der Nacht durch das Schwert hinrichten zu lassen. Als die Feldherren das
hörten, weinten sie bitter. Dann erinnerten sie sich an alles, was sie in Myra
erlebt hatten, als der Bischof Nikolaus unschuldige Bürger vor dem Tode
errettete, und in ihrer Not beteten sie: "Du Gott deines Dieners Nikolaus! Habe
auf die Fürsprache deines Bischofs Nikolaus Mitleid mit uns! Wir vertrauen
darauf, dass dieser Mann unsere Not schaut und deine Güte uns zuwendet!" Und
laut riefen sie: "Heiliger Nikolaus, wenn du auch fernab lebst, so sei uns doch
mit deiner Hilfe nah!"
So beteten die Gefangenen,
und in derselben Stunde erschien der heilige Nikolaus dem Kaiser im Traum:
"Konstantin, steh auf und lass die drei Feldherren frei, die du unschuldig in
deinem Gefängnis hast." Der Kaiser fragte: "Wer bist du?" Und die Stimme
antwortete: "Ich bin Nikolaus und lebe in Myra." Dann entschwand er. Als der
Kaiser aus dem Schlaf erwachte, rief er seinen ersten Eilboten und sagte: "Lauf
und melde dem Polizeikommissar, was ich geschaut habe. Auch soll er mir die
Gefangenen vorführen." Als die Gefangenen vor ihn traten, sprach der Kaiser zu
ihnen: "Ist euch ein gewisser Nikolaus bekannt?"
Als diese den Namen Nikolaus
härten, wurden sie frohen Mutes, und sie gaben dem Kaiser Bescheid.
Der Kaiser sprach zu ihnen: "Seht, ihr seid nun frei. Geht nach Myra und sprecht
dem Mann dort euren Dank aus. Denn nicht mir verdankt ihr euer Leben, sondern
Gott und Nikolaus, den ihr zur Hilfe gerufen habt. Und meldet dem Nikolaus auch
von mir: 'Sieh, deinem Befehl habe ich gehorcht. Nun bete für mich und das
Reich, dass Frieden sei auf der ganzen Welt." Er gab ihnen Geschenke mit, und
die drei Feldherren zogen erneut nach Myra, ihren Dank abzustatten. Zusammen mit
dem Bischof Nikolaus priesen sie den menschenfreundlichen Gott für ihre
wunderbare Rettung. Ihm ist Ruhm und Macht in die Ewigkeit der Ewigkeiten.
Amen.
Nikolauspostamt ©